Teure Fehler in schwierigen Verhandlungen – Die 7 größten Irrtümer nach Matthias Schranner

Ob Gehaltsgespräch, Vertragsverhandlung oder Krisengipfel – in schwierigen Verhandlungen können wenige Fehltritte Dich teuer zu stehen kommen. Verhandlungsexperte Matthias Schranner, ausgebildet von Polizei und FBI, entlarvt sieben weitverbreitete Irrtümer in der Verhandlungsführung. Aktuelle Studien von Harvard bis Stanford bestätigen viele dieser “teuren Fehler” – und zeigen, wie Du als Führungskraft diese Fallen umgehen und stattdessen erfolgreiche Verhandlungstechniken einsetzen kannst.

Irrtum 1: Verhandeln ist Win-Win (harmoniebedürftige Verhandlungsführung)

Die Harvard Negotiation Project Schule propagiert seit Jahrzehnten das Win-Win-Prinzip – beide Seiten sollen zufrieden vom Verhandlungstisch aufstehen. Schranners provokante These: In wirklich harten Verhandlungen ist das naives Wunschdenken. Er warnt, dass es in knallharten Verhandlungssituationen am Ende einen Sieger und einen Verlierer gibt. Wer hier auf “sozialromantische” Win-Win-Lösungen hofft, riskiert gefährliche Zugeständnisse. Das berühmte Harvard-Konzept wurde nämlich für kooperative Situationen ohne großen Interessenkonflikt entwickelt – in einer echten Konfliktverhandlung funktioniert es nicht. Stattdessen rät Schranner, voll auf Sieg zu spielen, aber dem unterlegenen Gegenüber am Schluss das subjektive Gefühl zu geben, ebenfalls gewonnen zu haben.

Dabei geht es nicht um Klamauk oder sinnlose Härte, sondern um strategisches Fordern. Beispiel: Beim Autokauf mag der “wahre Wert” eines Wagens 10.000 € sein – aber Du wirst ihn nur für 9.000 € bekommen, wenn Du den Stress für den Verkäufer bewusst erhöhst und hart verhandelst. Wer hingegen von Anfang an auf Harmonie und schnellen Konsens setzt, verschenkt Potenzial. Studien zeigen allerdings auch die Kehrseite: Viele Führungskräfte neigen zum Fixed-Pie-Irrtum – sie glauben fälschlich, das Verhandlungsspielraum sei ein starres Nullsummenspiel, und übersehen gemeinsame Interessen. Die Kunst liegt darin, klare Forderungen zu stellen, aber trotzdem Lösungsmöglichkeiten auszuloten, die dem Gegenüber einen Ausweg bieten. Wie William Ury (Mitbegründer des Harvard-Projekts) sagt: „Baue der anderen Seite eine goldene Brücke“ – mache es ihr leicht, Dir am Ende entgegenzukommen, selbst wenn Du härteste Forderungen gestellt hast. Mit anderen Worten: Ziele auf Deinen Sieg, aber erlaube der Gegenseite, ihr Gesicht zu wahren. Win-win ist ein tolles Ideal, doch in schwierigen Verhandlungen oft ein Irrglaube.

Irrtum 2: Gründliche inhaltliche Vorbereitung garantiert Erfolg

“Gut vorbereitet ist halb gewonnen” – diesen Leitsatz hört man in jedem Verhandlungstraining. Doch Schranner stellt infragewas genau vorbereitet werden muss. Seiner Erfahrung nach begehen viele den Fehler, sich inhaltlich bis ins kleinste Detail vorzubereiten – und dabei die Verhandlungsstrategie zu vernachlässigen. Natürlich ist Vorbereitung entscheidend, aber nicht im Sinne eines starren Fakten-Dossiers. Schranner betont: Entscheidend ist die strategische Vorbereitung. Das heißt: Setze Dir ein klares Ziel (definiere Dein Maximal- und Minimalziel) und entwirf einen Plan, wie Du dieses Ziel erreichen willst. Lege Dir eine Strategie zurecht – z.B. welche Forderungen Du stellen wirst, wo Du kooperieren kannst und wo nicht, und wie Du die Verhandlung strukturierst. Entwickle passende Taktiken: Stelle ein Verhandlungsteam auf (z.B. ein Negotiation Team mit klarer Rollenverteilung wie Verhandlungsführer und Beobachter), sorge dafür, dass alle Informationen abgeschottet bleiben, und formuliere Deine Forderungen schriftlich im Voraus. Kurzum: Verlasse Dich nicht darauf, “alles über das Produkt oder Angebot” zu wissen, sondern plane prozesstaktisch.

Eine Harvard-Studie zeigt, dass mangelnde Vorbereitung der häufigste Fehler in Business-Verhandlungen ist – doch Schranner ergänzt: Wer nur inhaltlich plant, aber keine Verhandlungsstrategie hat, ist trotzdem schlecht vorbereitet. Ein Beispiel aus der Praxis: Viele Vertriebler gehen mit perfekten Produktdetails ins Gespräch, haben aber keinen Plan B, falls der Kunde plötzlich vom Skript abweicht. Besser ist, Du hast von Anfang an eine Agenda (intern), die ausreichend Flexibilität lässt. Schranner empfiehlt sogar, die offizielle Agenda absichtlich vage zu halten („Ihre Sichtweise – unsere Sichtweise – Maßnahmenplan“), um nicht von der Gegenseite festgenagelt zu werden. Sein Motto: “Wer fragt, gewinnt” – bereite Fragen vor, um an Infos zu kommen und die Richtung zu steuern. So lenkst Du die Verhandlung, anstatt Dich nur an vorbereiteten Argumenten abzuarbeiten. Die Verhandlungspsychologie lehrt uns: zu viel starre Vorbereitung kann Dich blind machen für dynamische Wendungen. Halte also Deinen Werkzeugkasten bereit, aber bleibe anpassungsfähig.

Irrtum 3: “Wir sind auf alles vorbereitet” – Übermäßiges Selbstvertrauen

Viele Führungskräfte glauben, sie seien auf schwierige Verhandlungen gut vorbereitet, besonders wenn sie erfahren oder inhaltlich versiert sind. Schranner warnt: Dieses Gefühl ist oft trügerisch – und selbst ein teurer Fehler. Gerade in eskalativen Verhandlungen passieren unvorhergesehene Dinge, auf die man im Vorfeld nicht alle Mitarbeiter eingeschworen hat. Typisches Beispiel: Plötzlich schaltet sich der CEO oder ein anderer Entscheidungsträger direkt in die Verhandlung ein, vielleicht aus Ungeduld oder Ego – und sprengt die mühsam erarbeitete Linie. Schranners Taktik dagegen: Halte den obersten Decision Maker möglichst aus der laufenden Verhandlung heraus. Die Unternehmensführung sollte zwar klare Vorgaben und Ziele festlegen (inklusive einer No-Go-Grenze und einem Point of No Return), dann aber dem Verhandlungsteam vertrauen. Der Chef muss “an der Strategie arbeiten, nicht in der Strategie” – sprich: nicht selbst mitten im Gefecht emotional mitmischen. So vermeidet man, dass ein emotionaler Spitzenmanager den Prozess entgleisen lässt.

Überhaupt ist Überconfidence ein verbreitetes Problem: Psychologische Untersuchungen (Kellogg School) zeigen, dass Verhandler ihre eigene Leistungsfähigkeit oft überschätzen, was zu schlechteren Ergebnissen führt. Man denkt, man habe alle Eventualitäten antizipiert – und wird dann von der Realität überrumpelt. Die bessere Haltung: Sei demütig genug anzuerkennen, was Du nicht weißt. Teste die Belastungsgrenzen im Vorfeld: z.B. durch Rollenspiele unter Stressbedingungen oder “Red-Teaming”, bei dem jemand die gegnerische Seite simuliert und Deinen Plan torpediert. Schranner schlägt vor, auch eine Art “Regelwerk” intern zu definieren: Wer spricht wann, was wird auf keinen Fall zugesagt, wie werden Pausen genutzt etc.. So kann Dein Team selbst dann ruhig und konsequent bleiben, wenn der Verhandlungsverlauf unerwartet schwierig wird. Führungskompetenz zeigt sich hier darin, dass Du Deine Leute auf Stress vorbereitest – und zugleich Dein eigenes Ego im Zaum hältst. Nach dem Motto: Sei vorbereitet, aber rechne mit dem Unberechenbaren.

Irrtum 4: Früh für Klarheit sorgen – alles auf den Tisch legen

Skeptiker mögen einwenden: Klingt ja gut, aber wie soll ich konkret als Coach führen? Die gute Nachricht: Coaching kann In vielen Ratgebern liest man, man solle gleich zu Beginn einer Verhandlung die Karten auf den Tisch legen, für klare Verhältnisse sorgen und schnell auf den Punkt kommen. Schranner hingegen rät zur Geduld. “Keine vorschnelle Festlegung!” lautet sein Prinzip. Tatsächlich durchlaufen Verhandlungen meist verschiedene Phasen: Zuerst eine aufgeheizte, emotionale Phase, später eine sachlichere Lösungsphase. In der hitzigen Anfangsphase („affektive Phase“) wäre es ein Fehler, mit aller Macht Struktur und Klarheit erzwingen zu wollen. Beispiel: In Tarifverhandlungen fliegen zu Beginn oft die Fetzen – wenn Du hier sofort “Ordnung” schaffen willst, eskaliert es womöglich erst recht. Schranner fragt provokant: Wer ist gefährlicher – der Nette oder der “Psycho”? Die Antwort: Der scheinbar Nette kann genauso unberechenbar werden. Frühe Klarheit ist trügerisch. Besser: Halte Unklarheit zunächst aus und beobachte.

Schranners Taktik in der frühen Phase: Ruhe bewahren, nichts endgültig zusagen oder ausschließen. Vermeide Aussagen wie “Wir werden auf jeden Fall X tun” oder ein vorschnelles “Ja/Nein”. Verwende stattdessen neutrale Wendungen: “Interessant…”, “Das ist schwierig…” – signalisiere Zuhören, ohne Dich festzulegen. Notiere Widersprüche in den Aussagen der Gegenseite stillschweigend und stelle gezielte Rückfragen, anstatt direkt zu kontern. Im Grunde empfiehlt Schranner hier eine Verhandlungstechnik des kontrollierten Abwartens: Erst wenn die anfängliche Emotion abgekühlt ist (in der kognitiven Phase), sollte man konstruktiv nach gemeinsamen Wegen suchen. Dieser Ansatz deckt sich mit wissenschaftlichen Einsichten der Verhandlungspsychologie: Wer zu früh zu viel preisgibt oder den Deal erzwingen will, läuft Gefahr, entweder ausgenutzt zu werden oder eine suboptimale Lösung zu zementieren. Harvard-Professor Max Bazerman betont, dass Verhandler oft zu früh von fixen Annahmen ausgehen und dadurch Wert schöpfende Optionen übersehen. Die Lektion lautet: Geduld ist Macht. Lasse Dich nicht drängen, in den ersten Minuten alles klarziehen zu müssen. Unklarheit auszuhalten, kann Dir Informationen und Vorteile verschaffen, die Dir sonst entgangen wären.

Irrtum 5: Die Machtverhältnisse sind doch klar (sich selbst unterschätzen)

Ein weiterer teurer Fehler in Verhandlungen ist die falsche Einschätzung der Kräfteverhältnisse – sowohl Über- als auch Unterschätzung kommen vor. Schranner beobachtet, dass wir unsere eigene Verhandlungsmacht meistens unterschätzen. Aus Angst, der andere sitze am längeren Hebel, geben viele Führungskräfte zu früh klein bei. Gleichzeitig neigen manche dazu, den Gegner zu überschätzen und sich selbst zu klein zu machen – oder umgekehrt den eigenen Vorteil zu überschätzen und Warnsignale zu ignorieren. Forschung der Stanford University zeigt, dass Verhandler oft irrige Annahmen über die Gegenseite haben und deren Position extremer einschätzen als sie ist. Mit anderen Worten: Wir liegen häufig falsch, wenn wir glauben, genau zu wissen, wer die Oberhand hat.

Schranners Tipp: Gehe niemals davon aus, dass Du die Machtverteilung genau kennst – teste die Gegenseite aus. Frage Dich: Was wäre, wenn mein Gegenüber genauso auf mich angewiesen ist, wie ich auf ihn? Tatsächlich sollte man immer auf Augenhöhe verhandeln, selbst wenn die andere Partei scheinbar übermächtig ist. Unterschätze Deinen eigenen Einfluss nicht – vielleicht hast Du Ressourcen oder Informationen, die der anderen Seite fehlen. Gleichzeitig gilt: Gib keine Informationen über Deine eigene Lage preis, die Dich schwächen könnten. Ein praktisches Beispiel: In Lieferantenverhandlungen erlebt man oft, dass die Verkäuferseite betont, man sei “nur ein kleiner Kunde”. Lässt Du Dich davon einschüchtern, verschenkst Du Nachlassspielraum. Stattdessen kannst Du die Machtbalance verschieben, indem Du Alternativen in der Hinterhand hast (andere Lieferanten) und dies – subtil – durchblicken lässt. Sammle ständig neue Infos über die Bedürfnisse und Zwänge der Gegenseite. Vielleicht steht Dein Lieferant unter Quartalsdruck und braucht den Abschluss dringender als gedacht. Solche Informationen drehen den Spieß um. Fazit: Die Macht in Verhandlungen ist oft mehr Verhandlungssache, als objektiv feststehend. Sei Dir Deiner Stärken bewusst, agiere aber niemals arrogant – und prüfe laufend, ob Deine Annahmen über die Kräfteverhältnisse wirklich stimmen. Wie eine Studie der Verhandlungsforschung feststellt, führen Fehleinschätzungen hier zu systematischen Fehlern. Halte Dich daher an das Motto: Nichts ist sicher – außer, dass beide Seiten etwas zu verlieren (oder gewinnen) haben.

Irrtum 6: “Verhandeln ist Intuition – man muss ein gutes Bauchgefühl haben”

Verhandlung ist “eine Kunst, kein Schema” – so glauben viele und verlassen sich auf ihre Intuition. Schranner widerspricht entschieden: Wer glaubt, er könne aus dem Bauch heraus erfolgreich verhandeln, befindet sich “auf dem Holzweg”. Intuition kann zwar helfen, Stimmungen wahrzunehmen, doch unbewusst emotional zu verhandeln, endet oft in einer Falle. Denn starke Gefühle – sei es Euphorie oder Ärger – verzerren unsere Wahrnehmung und führen zu impulsiven Entscheidungen. Studien in der Verhandlungspsychologie belegen, dass unkontrollierte Emotionen häufig zu Ergebnissen führen, die beide Seiten schlechter stellen (ein sogenannter lose-lose-Effekt). Der Verhandlungsprofi hingegen zügelt seine Intuition durch Struktur.

Schranner empfiehlt eine Reihe konkreter Techniken, um das Gespräch systematisch zu steuern statt “nach Gefühl”. Einige Beispiele: Setze eine Agenda und halte Dich grob daran – so behältst Du die Führung. Spiegle und summarisiere regelmäßig das Gesagte (“Also Sie schlagen vor, dass…”) – das schafft Klarheit und nimmt Missverständnissen den Nährboden. Sprecht jemand emotional, erkenne das Gefühl dahinter an (“Ich merke, das ärgert Dich”) ohne selbst emotional zu werden. Scheue Dich nicht vor kalkuliertem Schweigen: Pausen aushalten kann den Druck auf den anderen erhöhen, ohne dass Du etwas tun musst. Keine vorschnellen Ratschläge: Lass den anderen seine Sicht ausbreiten, statt sofort Lösungen anzubieten. Und vor allem: Vermeide ironische Witze oder sarkastische Kommentare – Humor ist fehl am Platz, wenn es um ernste Interessen geht. All diese Methoden zielen darauf ab, die Verhandlung sachlich und unter Kontrolle zu halten, anstatt impulsiv hin und her zu springen.

Ein anschauliches Beispiel ist der Tipp von William Ury: “Gehe auf den Balkon” – das heißt, tritt innerlich einen Schritt zurück, wenn Du merkst, dass Dich etwas wütend macht. Dieser mentale Trick schafft Distanz und bewahrt Dich davor, unbedacht zu reagieren. Schranner würde zustimmen: Die größte Macht des Verhandlers ist die Macht, nicht zu reagieren – kalt zu bleiben, wo andere rot sehen. Intuition in Form von Menschenkenntnis ist wertvoll, aber sie muss von einem kühlen Kopf gelenkt werden. Erfolgreiche Verhandlungsführer kombinieren psychologisches Feingefühl mit klaren Strukturen, statt blind ihrem Bauchgefühl zu folgen.

Irrtum 7: Bloß nicht in die Sackgasse geraten – immer eine Einigung erzielen

Die meisten Menschen sehen eine Verhandlung ohne Ergebnis – einen Abbruch – als Scheitern an. “No deal is better than a bad deal” lautet jedoch ein Grundsatz harter Verhandler. Schranner kritisiert die verbreitete Angst vor der Sackgasse als letzten großen Irrtum. Wer um jeden Preis einen Abschluss erzwingen will, liefert sich oft der Gegenseite aus. Sein Rat: Keine Angst vor dem Abbruch! Vielmehr sollte man eine Sackgasse bewusst als Strategieinstrument nutzen können. Beispielsweise kannst Du, wenn Dein Verhandlungspartner stur bleibt, die Verhandlung offiziell für beendet erklären – allerdings in respektvollem Ton: Dankbar für die offenen Gespräche, betonst Du gemeinsame Punkte und schiebst das Scheitern auf äußere Umstände (“unter den heutigen Bedingungen…”). Wichtig: Lass die Tür einen Spalt offen für einen späteren Wiedereinstieg. Dieser kontrollierte Abbruch demonstriert Stärke: Du zeigst, dass Du keinen faulen Kompromiss nötig hast.

Schranners Taktik umfasst hier mehrere Punkte. Erstens: Etabliere einen Single Point of Contact – idealerweise verhandelt nur eine Person (oder ein klar definiertes Team) mit der Gegenseite. So vermeidest Du “Good Cop, Bad Cop”-Spielchen oder dass intern jemand quer schießt. Zweitens: Informationssperre – lass interne Unstimmigkeiten nie nach außen dringen und umgekehrt. Drittens: Habe im Hinterkopf verschiedene Strategieoptionen für die Sackgasse: z.B. den Druck erhöhen, vorübergehend nachgeben, einen Kompromiss vorschlagen, auf Zeit spielen oder – falls möglich – doch auf integrative Verhandlung umschwenken. Welche Option Du wählst, hängt von der Situation ab. Aber Schranner betont: Keine vorschnellen Kompromisse anbieten, keine einseitigen Zugeständnisse und kein hektisches Vertagen, nur um einer Konfrontation zu entgehen. Diese Reflexe schwächen Deine Position. Stattdessen: Wenn festgefahren, offen die Sackgasse benennen und die Verantwortung dafür notfalls übernehmen – nach dem Motto “unter diesen Umständen finden wir heute leider keine Lösung”. Paradoxerweise schafft genau dieses Aussprechen oft neuen Bewegungsspielraum.

Ein praktisches Beispiel: Stell Dir vor, Du verhandelst über einen wichtigen Vertrag und kommst auf keinen grünen Zweig. Anstatt immer nervöser doch noch irgendwo nachzugeben, ziehst Du die Reißleine – höflich, aber bestimmt. Vielleicht merkst Du am Gesicht des Gegenübers, dass er geschockt ist – plötzlich hat auch er etwas zu verlieren. Plötzlich liegen neue Angebote auf dem Tisch, oder man vertagt sich in beidseitigem Einvernehmen auf nächste Woche (ein Wiedereinstieg). Hier zahlt sich Mut aus: Denn ein Abbruch ist kein endgültiges Scheitern, sondern oft der Beginn einer neuen, besseren Verhandlungsrunde. Auch Ex-FBI-Verhandler Chris Voss betont: Kompromisse aus Angst verlängern nur das Leiden – manchmal muss man gehen können, um am Ende mehr zu erreichen Und noch ein Denkanstoß von Voss: Wenn Du den Gegner vollständig zerstörst, hast Du bald keine Verhandlungspartner mehr. Nicht jedes Geschäft muss um jeden Preis geschlossen werden. Lieber kein Deal, als ein Deal, der Deine Ziele verrät – das ist in schwierigen Verhandlungen ein Zeichen von Führungsstärke.

Praxis-Leitfaden: Best Practices für erfolgreiche Verhandlungsführung

Zum Abschluss ein kompakter Leitfaden für Führungskräfte, der aus Schranners Thesen und wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleitet ist. Diese Best Practices helfen Dir, schwierige Verhandlungen souverän zu meistern:

  • Strategische Vorbereitung statt Detailversessenheit: Kläre Deine Ziele (Maximal- und Minimalziel) und kenne Deine BATNA (beste Alternative, falls keine Einigung). Plane eine Verhandlungsstrategie mit klarer Rollenverteilung und Taktik – anstatt nur Fakten zu pauken.
  • Klare Rollen & Spielregeln: Bestimme einen Verhandlungsführer und halte höhere Entscheidungsträger aus der direkten Verhandlung heraus. Lege intern Grenzen (“walk-away point”) und Regeln fest, damit Dein Team auch unter Druck an einem Strang zieht.
  • Aktives Zuhören und Fragen stellen: Verhandlungstechniken wie Fragen sind Dein Freund – “Wer fragt, der führt.” Nimm Dir vor, deutlich mehr zu fragen als zu argumentieren. So lenkst Du das Gespräch und entlockst der Gegenseite wichtige Informationen, ohne selbst zu viel preiszugeben.
  • Emotionen kontrollieren: Bleib ruhig, selbst wenn es hoch hergeht. Trainiere, auf Provokationen nicht sofort zu reagieren. Wenn Du merkst, dass Ärger hochkocht, mach eine kurze Pause oder atme durch (“geh auf den Balkon” in Urys Worten). Die Fähigkeit, die eigene Reaktion zu steuern, ist laut Experten einer der größten Verhandlungsvorteile.
  • Die Machtbalance bewusst managen: Unterschätze Dich nicht und überschätze nicht den Anderen. Sammle ständig neue Informationen über die Interessen und Zwänge der Gegenseite. Signalisiere gleichzeitig Deine eigenen Alternativen (ohne zu bluffen) – so bleibt die Verhandlung auf Augenhöhe.
  • Keine Angst vor der Sackgasse: Habe den Mut, notfalls “Nein” zu sagen. No deal is better than a bad deal – halte Dir diesen Satz vor Augen. Droht eine Einigung, die Deine Kernziele verletzt, ziehe dich lieber zurück. Mit diesem Selbstbewusstsein steigert sich oft auch die Kompromissbereitschaft der Gegenseite im nächsten Anlauf.
  • Langfristige Beziehungen im Blick behalten: Auch wenn Schranners Ansatz konfrontativ ist – verliere nicht das große Ganze aus den Augen. Vernichte den Verhandlungspartner nicht vollständig, sondern suche nach Wegen, wie beide Seiten Wert schaffen können. In Geschäftsbeziehungen zahlt es sich aus, wenn Dein Gegenüber auch beim nächsten Mal noch gerne mit Dir verhandelt.


Fazit: Schwierige Verhandlungen erfordern Mut zur Konfrontation und zur Reflexion gleichermaßen. Matthias Schranners sieben Irrtümer halten uns einen Spiegel vor: Bist Du zu harmoniesüchtig? Übersiehst Du vor lauter Fakten das taktische Spiel? Traust Du Dich, notfalls ohne Deal nach Hause zu gehen? – Die besten Verhandler hinterfragen gängige Glaubenssätze und sind bereit, unbequem zu sein. Gleichzeitig lernen sie aus Studien und Verhandlungspsychologie, wie menschliche Faktoren das Geschehen beeinflussen. Diese Mischung aus provokanter Strategie und wissenschaftlich fundierter Taktik macht aus einem guten Verhandler einen exzellenten Verhandlungsführer. Gehe Deine nächsten Verhandlungen mit dieser Haltung an – pointiert, vorbereitet und bereit, das Undenkbare zu tun, wenn es nötig ist. So wirst Du auch die schwierigsten Verhandlungen meistern und am Ende als Gewinner – oder besser noch: als respektierter Partner – vom Tisch gehen.

Literatur & Quellen: Matthias Schranner, Teure Fehler – Die 7 größten Irrtümer in schwierigen Verhandlungen (Econ, 2009); Harvard Business Review; Stanford Graduate School of Business Research; Verhandlungsexperten William Ury und Chris Voss; u.a.

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